„Als die Elfen knieten schüttete ich Konfetti über sie“

 

Markues

2020

The Watch

Wachturm am Schlesischen Busch, 29.9.2024

Entkernte Waschmaschinen liegen wie Wracks auf dem Boden des Ausstellungsraums. Ihrer Häuslichkeit und ihrer Funktion beraubt, treten die versteiften Seitenteile, die Durchbrüche und Ausstanzungen als sinnlose Verzierungen in den Vordergrund. Auf den Gehäusen sind Aquarelle wie Polypen sesshaft geworden. Markues schlägt einen formalen Blick auf die Objekte und die darauf liegenden Zeichnungen vor, die nach allen Seiten fortsetzbar scheinen und vor den Augen der Betrachtenden über die Blattränder und über die Gehäuse hinaus zerfließen.

Quallen sind den Strömungen des Meeres ausgesetzt und können ihre Richtung nur wenig beeinflussen. Wie Medusen, die ein Polyp durch das Abschnüren einzelner Segmente bildet, sind auch die Ornamente in den Aquarellen von Markues von ihrem Ursprung entfernt. Die Formen der Serie The Troubled Waters of Ethnic Heritage sind Westerwälder Steinzeug, Bunzlauer Keramik oder auch Teppichen, Vorhängen, Tapeten und Kartenspielen entlehnt, die sich in der Werkserie in lasierend aufgetragenen Farbschichten wie verwaschene Keramikglasuren in blassen Blau-, Violett-, Grau- und Grüntönen überlagern. Markues richtet den Blick auf das Ornamentale und überführt dessen vermeintliche Nutzlosigkeit in eine malerische Fragestellung. Die Arbeiten lassen keine klar abgrenzbare stilistische oder geografische Verortung zu, doch sie erinnern an dekorierte Gebrauchsgegenstände in Arbeitermilieus, die oftmals aus der Notwendigkeit heraus und nicht nach gestalterischen Gesichtspunkten ausgewählt werden müssen. Waren einzelne Verzierungen womöglich einmal herrschaftliche Insignien, sind sie nun zusammenhangslos angehäufte Symbole ohne Status.

Statt die eigene Herkunft authentisch zu illustrieren, setzt Markues auf eine doppelte Verschiebung: Die Erwartung an die künstlerische Produktion gesellschaftlicher Minderheiten, ihre eigene Biografie zu Markte zu tragen, wird von den Zeichnungen nur scheinbar erfüllt und durch die Titel der einzelnen Blätter haltlos übersteigert. Die Titel sind als Zitate gekennzeichnet, ihr Kontext wird angedeutet, aber der genaue Ursprung bleibt unbenannt. Es sind Zitate aus dem Umfeld der deutschen Zwangsumgesiedelten zwischen 1945 und 1950, die in ihrer Selbstpositionierung als „Heimatvertriebene“ eine Melange aus Nostalgie und Ressentiment fortschrieben und die Verstrickungen in die Verbrechen des Nationalsozialismus oft mit ihrem eigenen Leid der Aussiedlung überdeckten. Die Aquarelle lassen sich aus den Titeln heraus jedoch nicht direkt erklären; sie starren milchig unbestimmt zurück, wenn identitäre Phantasien in ihnen vermutet werden.

Wie lässt sich mit ethnischer Herkunft umgehen, wenn deren über Bord werfen unmöglich ist und deren Affirmation zugleich außer Frage steht? The Troubled Waters of Ethnic Heritage beschreibt eine solche Situation. Durch den Einsatz und die Überlagerung von Zitaten und ornamentalen Formen gelingt es den Werken, Heimatlosigkeit als Möglichkeit zu denken, die ethno-nationalistische Zuschreibungen hinter sich lässt. Denn in den Titeln liegt bei aller Ambivalenz auch das Potential, die sprachlichen Beschreibungen verschiedener Fluchterfahrungen ins Bewusstsein zu rufen, da der konkrete Kontext der Zitate und malerischen Ornamente so aufgelöst erscheint, dass sie nicht mit individuellen Erfahrungen in eins fallen oder diese relativieren.

„Auch die größten Idealisten mussten einsehen, dass es mit dem tausendjährigen Reich zu Ende ging.“

 

Markues

2020

 

„So in der Reihenfolge wie der Vormittag verlief auch der Nachmittag nur mit dem Unterschied, dass sich alle auf den Feierabend freuten“

 

Markues

2020

„Eine Nachtwache war aufgestellt, die Streife ging. Denn es war eine unsichere Zeit, wir durften das Lager nicht verlassen“

 

Markues

2020